Einleitung
Bereits die Griss-Kommission hat die „Verstaatlichung ohne Not“ des Jahres 2009 hart kritisiert. Durch fatale Fehler beim Rückkauf der Hypo durch den Bund verlor Kärnten die Bank, den Zukunftsfonds und das Sicherheitspolster der BayernLB. Für Kärnten gingen damit nicht nur fast alle Vorteile aus dem erfolgreichen Verkauf an die BayernLB verloren, auch das – bereits gebannte – Risiko aus den Landeshaftungen lebte wieder auf.
Initiative und Regie des so verhängnisvollen Rückkaufes lagen damals und in der Folge bei der Bundesregierung, teilweise offenbar sogar unter bewusster Ausklammerung Kärntens.
Weshalb sollte sich Kärnten also am entstandenen Desaster beteiligen?
Im Untersuchungsausschuss ist nun herauszuarbeiten, auf welcher Informationslage, unter welchem Handlungsdruck und anhand welcher Verträge Kärnten zu Zugeständnissen genötigt wurde.
Danach ist zu entscheiden, ob und wie Forderungen geltend gemacht werden können. Die Rückkehr des Zukunftsfonds nach Kärnten alleine etwa EUR 500 Mio., die Streichung übernommener Verpflichtungen einen Milliardenbeitrag. Also, eine in jedem Falle lohnende Herausforderung für Landtag und Regierung.
Auch Tilo Berlin sieht „für Kärnten eine letzte realistische Chance, Unrecht und Schaden restituiert zu erhalten, wenn alle an einem Strang ziehen. Statt wechselseitigen Schuldzuweisungen braucht es nun gemeinsames Handeln. Mehr Geld können die Verantwortlichen auf Jahrzehnte hinaus nicht ins Land bringen“.
Berlin hat im Jahr 2007 immerhin den Verkauf der Hypo an die BayernLB möglich gemacht, kaum einer kennt die Zusammenhänge besser als er.
Sein unbequemer klarer Geist sollte gerade auch diesem Ausschuss nützen. Seine erfrischenden Schlussfolgerungen richten sich gegen den Strom der verbreiteten Legende, gerade auf Basis der neuesten Fakten scheinen sie alle beweisbar.
Aus diesem Grunde habe ich folgendes Interview mit Tilo Berlin geführt:
Interview
Frage: Wurden Sie schon als Auskunftsperson zum aktuellen Hypo-U-Auschuss geladen?
Bis jetzt noch nicht. Der Untersuchungszeitraum liegt auch lange nach meiner Zeit, das gilt sogar für die sogenannte Notverstaatlichung im Jahr 2009. Sollte ich gerufen werden, komme ich.
Frage: Sind die Verpflichtungen, die Kärnten mit der Notverstaatlichung danach eingegangen ist, Gegenstand der Untersuchung?
Es lohnt sich sicher, diese Vorgänge zu verstehen, vor allem im Lichte der nun vorliegenden Fakten, wie zB dem Abwicklungsergebnis, dem Kalkül der BayernLB und den neuesten Erkenntnissen über die wahre Lage nach den Swap-Verlusten 2004.
Frage: Können Sie etwas zur Aufklärung beitragen?
Gewiss. Ich denke vor allem an jüngere Abgeordnete, die die Wurzeln der Vorgänge gar nicht kennen können, während ältere Kollegen, die auf berechtigte Fragen in der Vergangenheit noch keine Antwort erhalten konnten, nicht mehr da sind. So z.B. die Abgeordnete Nicole Cernic von der SPÖ.
Frage: Wo sehen Sie den Kern des Problems?
„Des Pudels Kern“ ist und bleibt die sogenannte „Notverstaatlichung“. Dieser Rückkauf der Hypo war aus österreichischer Sicht der größte Fehler. Wenn man so will, der eigentliche Finanzskandal. Ohne den Rückkauf gäbe es gar keinen Schaden, weder für Österreich noch für Kärnten.
Er entstand allein im Dialog zwischen Bayern und der österreichischen Bundesregierung und wurde von dieser verhandelt. Kärnten war zweifellos schlecht informiert, überrumpelt und allenfalls ein „Beiwagerl“, so wie der Mitgesellschafter GRAWE auch.
Frage: Wieso hat Kärnten überhaupt einen Beitrag geleistet?
Das ist ja die Frage. Kärnten wurde für den Erfolgsfall dieser Investition des Bundes ja auch keine Erfolgsbeteiligung angeboten.
Frage: Hat man sich durch die Notverstaatlichung einen Turnaround erwartet?
Auf österreichischer Seite anfangs wohl schon. Für das neue Management wurden immerhin hohe Boni fixiert. Und es wurden ja auch schon bald Erfolgsmeldungen über ein ausgeglichenes Ergebnis publiziert. Unter Vermeidung heftiger Abwicklungsfehler – wie den unsinnigen Streit des Finanzministeriums mit der EU über die „Bad Bank“ – hätte zweifellos ein Plus herauskommen müssen. Darauf verweist nicht zuletzt auch der Bericht der Griss- Kommission.
Frage: Hat nicht die Ausfallsbürgschaft, die das Land Kärnten übernommen hat, die Notverstaatlichung ausgelöst?
Das war die Legende – oder der Irrtum – von Finanzminister Josef Pröll. Sie hat aber nie gestimmt. Die BayernLB haftete ja in einem Maße, das auch die Risiken aus den Landeshaftungen vollständig abgefedert hat. Ich erinnere an die Barkapitalerhöhungen zu meiner Zeit von insgesamt rd. EUR 2,5 Mrd. und an die Haftung der BayernLB über die ausgereichten Gesellschafterdarlehen von über EUR 5 Mrd. Auf dieses Sicherheitspolster vertraute schon der von mir geführte Vorstand zu Recht. Ebenso wie auf verbindliche Zusagen zu weiteren Kapitalmaßnahmen bei Bedarf.
Frage: Warum wurde dieser Sicherheitspolster nicht auch von der neuen Bankführung genutzt?
Der neue Bankvorstand der HETA wollte sich ja darauf stützen. Es war aber schon verspielt. Man ist in der Notverstaatlichung darüber gestolpert. Dabei wurden – wie wir heute wissen – der BayernLB sogar noch Haftungszusagen der Republik Österreich überreicht. Ein veritables Geschenk des Hauses Österreich an den Freistaat Bayern im Wert von EUR 5 Mrd.! Dass darauf in München angestoßen wurde, ist verständlich.
Frage: Musste Kärnten in der Folge den gesamten Zukunftsfonds von EUR 500 Mio. nach Wien übertragen und zusätzliche Verpflichtungen in Milliardenhöhe übernehmen?
Ja. Nachdem zuvor bereits die Bankbeteiligung für EUR 1,- abgeliefert werden musste. Daher gilt es zu analysieren, auf welcher Informationsgrundlage, unter welchem Druck, anhand welcher Verträge das alles geschah. Der Ausschuss sollte die juristische und moralische Grundlage erarbeiten. Aufgabe der Regierung bleibt dann die Durchsetzung von Ansprüchen zum Wohle des Landes.
Frage: Gegenüber der BayernLB?
Nein, gegenüber Wien. Mit der BayernLB sollte Kärnten im Reinen sein.
Frage: Könnte Kärnten im Bestfall sogar den ganzen Schaden ersetzt bekommen?
Fast. Bis auf den Verlust der Bank. Diese fehlt ja im Land und mit der Aufgabe der Vision eines kräftigen wirtschaftlichen Alpe-Adria-Konzeptes ging viel verloren. Denn die Hypo hätte selbst im alleinigen Eigentum der BayernLB als Drehscheibe der Kapitalströme zwischen München, Oberitalien, Zagreb und Belgrad auch weiterhin viele positive Wirkungen für Kärnten entfaltet. Ich denke an unternehmerische Beziehungen, Tourismus, Hotellerie, Gastronomie und den Flughafen. Das war ja eine historische Chance.
Frage: Folgt daraus, dass der Zukunftsfonds wieder zurück nach Kärnten kommt und die weiteren Verpflichtungen zu streichen sind?
Ja. Was soll auch der Kärntner Zukunftsfonds in Wien? Die Mittel wären allein schon für die Energiewende in Kärnten bestens zu gebrauchen. Und ohne die ungerechtfertigten Hypo-Verpflichtungen ginge es dem Haushalt deutlich besser. Die Regierung könnte nach vorne schauen und nicht zurück.
Frage: War die Bank damals nicht pleite?
2009 eben nicht. Die Liste an Problemen war bekanntlich lang, aber Haftungspolster und Liquidität waren durch die BayernLB ausreichend gesichert.
Anders war es allerdings 2004. Hätten Aufsichtsrat und Vorstand der Bank nach den Swap-Verlusten pflichtgemäß die volle ungeschminkte Wahrheit berichtet, wären Bank und Land tatsächlich ungebremst in die Pleite gerutscht. Die Landesregierung hätte es zerrissen.
Frage: Wem wurde damals die Wahrheit vorenthalten?
Nach den Ergebnissen verschiedener Untersuchungsausschüsse jedenfalls den Aufsichtsbehörden, der Landesregierung, dem Landtag, den Medien und den späteren Käufern. Konkret also auch Berlin & Co, ebenso wie der BayernLB.
Frage: Ist das zu beweisen?
Ja. Unter anderem durch einen präzisen Bericht der Österreichischen Nationalbank.
Frage: Wollen Sie damit sagen, dass ein durch Bayern gerettetes Kärnten durch die Wiener Regierung wieder in die Bredouille kam?
Das ist gar nicht zu leugnen. Die Demontage der Bank geht nun ins 13. Jahr. Zelebriert als öffentliches Spektakel im Stile einer griechischen Tragödie in mehreren Akten – auf dem Rücken Kärntens.
Frage: Wäre es weniger dramatisch gegangen?
Wenn ich jetzt erwähne, dass die Insolvenz der österreichischen Volksbanken-Gruppe zur selben Zeit von denselben Verantwortlichen in Wien abgewickelt wurde, würde es mir keiner glauben. Denn, dazu gibt es so gut wie gar keine Schlagzeilen. Um die Zahlen kleiner zu halten, wurde das Institut sogar noch in zwei Einheiten aufgespalten. Sollte der Untersuchungsausschuss hervorbringen, dass der verbleibende Schaden denjenigen der Hypo klar übertrifft – wovon ausgegangen werden kann –, stimmt für die Hypo nicht einmal mehr der Titel „Größter Finanzskandal Österreichs“. Denn dieser gebührt den Volksbanken.
Frage: Ist das nicht vergossene Milch?
Mag sein, aber man wird ja noch nach den Motiven fragen dürfen. Wieso werden die einen laut und die anderen leise exekutiert?
Frage: Ist das Gerechtigkeit gegenüber Kärnten?
Möglicherweise wurde ja mehr Politik als Wirtschaft gemacht. Denn man stelle sich doch einfach nur vor, Energie und Ressourcen wären mit vereinten Kräften in die geplante Neuausrichtung der Hypo geflossen. Das Abwicklungsergebnis zeigt ja, dass – gerade nach den substanziellen Anstrengungen der Bayern während ihrer Verantwortung – die Finanzkrise zu überstehen gewesen wäre. Eine interessante Bank wäre entstanden. Und das für alle Beteiligten mit ungleich geringerem Aufwand als ihn das Zerschlagungsfest letztlich forderte.
Frage: Wie beurteilen Sie die bayerische Seite?
Die Entscheidung, sich von der Hypo wieder zu trennen, fiel in München auf dem Höhepunkt der Finanzkrise bereits ein Jahr vor der Notverstaatlichung. Das wissen wir heute. Käufer am Markt zu finden war damals aussichtslos ebenso wie jeder Gedanke an einen Börsengang. Allenfalls kam die Republik Österreich als Abnehmer in Frage. Aber wenn, dann überhaupt nur in der Not.
Frage: Ein Notfall mit Ansage?
Der bilaterale Dialog zwischen München und Wien wurde – vorbei am Mitgesellschafter Kärnten – intensiviert, das Verhandlungsteam mit größtmöglichen Spielräumen ausgestattet. Protokolle zeigen, dass der BayernLB-Vorstand in der entscheidenden Verhandlung sogar einen Maximalverlust von bis zu EUR 10 Mrd. hätte akzeptieren dürfen. Zum Verlust des Kaufpreises, den eingebrachten Kapitalerhöhungen und allen Krediten hätte er sogar noch etwas drauflegen können.
Systematische Vorbereitung und Verhandlungsgeschick ermäßigten dann die Kosten des Befreiungsschlages auf etwa EUR 3 Mrd. In einer Phase, in der die BayernLB selbst angeschlagen war und Staatshilfe in Anspruch nehmen musste, zweifellos ein Erfolg.
Frage: Also genial. Aber auch weitsichtig?
Ob es langfristig richtig war, die Flinte gleich bei der ersten Bewährungsprobe ins Korn zu werfen, bleibt dahingestellt. Märkte und Immobilienpreise haben sich längst erholt und einige Regionalbanken haben sich gut entwickelt, so auch die ehemaligen Hypo-Töchter in Kroatien und Serbien.
Auch waren der Entscheidung für das Hypo-Investment ernsthafte strategische Überlegungen vorausgegangen. Und die BayernLB hatte – auf Drängen der Kroatische Nationalbank – ein öffentliches Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ihres Engagements abgelegt. Daran gemessen wurde das proklamierte Ziel, über den Einstieg in eine günstige, aber unreife Bank systematisch eine Position in den Wachstumsmärkten zu formieren, nach beherztem Start verfehlt. Mit dem Ausstieg wurde zwar ein potenziell größerer Schaden verhindert, der Verlust aber auch unwiederbringlich festgeschrieben. Mit etwas Geduld und Empathie für die Region hätte demgegenüber auch viel entstehen können – ohne Finanzkrise sogar müssen.
Frage: Wie stehen Sie zur Einschätzung der Griss-Kommission, die auf österreichischer Seite von „Multi-Organversagen“ spricht?
Im Wesentlichen folge ich dem Griss-Bericht, ihm fehlen lediglich die allerneuesten Erkenntnisse. Frau Prof. Griss war aber immerhin die Erste, die öffentlich etwas spöttisch eine „Verstaatlichung ohne Not“ feststellte. Sie wirft in sachlicher Kritik dem Kärntner Landtag zudem auch die Ausdehnung der Landeshaftungen vor. Hier würde ich diesen aus den genannten Gründen sogar in Schutz nehmen, außerdem war er – wie nunmehr bekannt – 2004 ganz bewusst falsch informiert.
Frage: Der Ausschuss könnte Ihrer Meinung nach also tatsächlich etwas bewirken?
Wenn sich die besten Köpfe der Parteien aufmachen, die Wahrheit zu suchen, bin ich mir ganz sicher. Dabei müssen eigentlich nur die bestehenden Mosaiksteine aus Gerichtsurteilen, Ausschussergebnissen und sonstigen Dokumenten zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden. Wie beim Puzzle.
Frage: Halten Sie das für möglich?
Die Wahrheit sollte langsam zumutbar sein. Und Kärnten täte sie gut.
Das war das Interview mit Tilo Berlin. Ich fasse nun den Inhalt mit persönlichen Bemerkungen zusammen:
Bis zum Zeitpunkt der Notverstaatlichung war die BayernLB für die Kapitalausstattung der Hypo verantwortlich. Sie hat dem Kreditinstitut EUR 7,5 Mrd. zur Verfügung gestellt. Im Falle einer Insolvenz hätte es sich dabei um eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen gehandelt, die erst nachrangig zu befriedigen gewesen wären. Das war der Rettungsschirm für das Land Kärnten, weil die Ausfallsbürgschaft erst nach der Verwertung sämtlicher Aktiva und dem Verlust des Eigenkapitals schlagend geworden wäre. Es gab somit kein Bedrohungsszenario.
Ganz anders die Situation nach der Notverstaatlichung: Durch die Garantie des Bundes, dass die Gesellschafterdarlehen an die BayernLB zurückgezahlt werden, hat sich die Haftungssituation für das Land Kärnten verschlechtert. Hiezu kam noch die Weigerung, eine Bad Bank zu gründen. Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Johannes Ditz hat den Verlust für die Hypo mit Milliarden beziffert. Allein für den Umstand, dass mangels Spaltung die Kredite mit Eigenkapital hinterlegt werden mussten, hat der Bund Kapital aufbringen müssen.
Der Verlust für das Land Kärnten ist erst nach der Notverstaatlichung entstanden. Wenn jetzt die ÖVP und SPÖ im U-Ausschuss verhindern, dass Tilo Berlin als Auskunftsperson geladen wird, wäre das eine Indiz dafür, dass es ihnen nicht um eine Aufklärung geht, sondern um die Fortführung der faktenwidrigen Erzählung. Das wäre für das Land Kärnten eine Katastrophe. Immerhin geht es um EUR 1,2 Mrd., die in Anbetracht der belegbaren Tatsachen zu Unrecht bezahlt wurden. Die Devise muss lauten: „I want my money back“ und nicht „ Make the wall“.