Ende dieser Woche wird die EU-Kommission Ihre Einschätzung über den Beitrittsantrag der Ukraine bekannt geben. In Anbetracht des Krieges gibt es viele Befürworter. Wenngleich der Kandidatenstatus noch nicht die Aufnahmeentscheidung vorwegnimmt – die Türkei ist beispielsweise seit 1999 EU-Beitrittskandidat – stellt sich die Frage, wie der plötzliche Gesinnungswechsel erklärbar ist.
Noch im Herbst 2020 hat der europäische Rechnungshof einen vernichtenden Bericht über die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Ukraine erstellt. In diesem wird ausgeführt, dass trotz der großzügigen Unterstützung der EU sich die Lage in den letzten 20 Jahren nicht wesentlich geändert hat. Korruption und eine Vereinnahmung des Staates für private Interessen gehören zur Tagesordnung.
Schon im April 2019 wurde in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung auf die Gefahr hingewiesen, dass Präsident Selenskyj die Oligarchenpolitik fortsetzt und zwar unter Hinweis darauf, dass sein Wahlerfolg das Ergebnis des Oligarchen Ihor Kolomoiskyj war, der ihn mithilfe seines Fernsehsenders ins Amt hievte.
In den Pandora Papers (geleakte Daten über geheime Geschäfte und Vermögenswerte) wurde offengelegt, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj mit einem Geschäftsmann in Verbindung stand, der aus einer ukrainischen Bank 5 Milliarden abgezweigt hat. Selenskyj gründete ab 2012 ein Geflecht von Offshore-Firmen, über welche Millionen Euro verschoben wurden. Neben den Geschäftsbeziehungen zum Oligarchen Kolomoiskyj handelte es sich hierbei vor allem um Anteile an TV Anstalten und Produktionsfirmen.
Wenn die EU jetzt ernsthaft unter solchen Voraussetzungen daran denkt, die Ukraine als Beitrittskandidaten aufzunehmen, wäre das nicht nur in Affront gegenüber allen anderen Kandidaten – allen voran die Westbalkanstaaten, die sich schon seit längerem um einen Kandidatenstatus bemühen – sondern auch die Erkenntnis, dass kriegsbefeuernde Argumente die Beitrittsregeln der EU („Kopenhagener Kriterien“) außer Kraft setzen.
Schon jetzt leiden die Bürger an den Folgen des Krieges. Die höchste Geldentwertung seit Jahrzehnten führt zu einer Armutsgefährdung von Millionen Menschen. Hinzu kommt noch die Gefahr eines Flächenbrandes durch die Lieferung schwerer Waffen; atomare Bedrohung inklusive.
Wer in der Ukraine schon Geschäfte abgewickelt hat, weiß, dass ohne Schmiergeldzahlungen nichts geht. Die Vorstellung, dass im Falle der Aufnahme der Ukraine in die EU hunderte Milliarden für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt werden müssen, ist zwar für die Oligarchie eine schöne Perspektive, für die Nettozahler jedoch ein Horrorszenario.
Wenn in Brüssel weiterhin eine Politik ohne Rücksicht auf die Belastung der EU-Bürger gemacht und auch mit zweierlei Maß gemessen wird, besteht die Gefahr des Scheiterns des europäischen Projektes. Die Folgen der Schwarz-Weiß-Politik sind soziale Unruhen, EU Austritte und die Vergemeinschaftung von Schulden. Noch leben Von der Leyen und Co in einem Elfenbeinturm. Die Realität kann sie schneller einholen als es ihnen lieb sein wird.