Der Kalkulationsfehler

Die Realität hat die Fehler des türkis-grünen Krisenmanagements eingeholt: Vernachlässigende Präventionsmaßnahmen, Kontrollverlust und ein Softdown, den niemand wahrnahm. Dazu gesellt sich jetzt noch eine Coronahilfe (Umsatzersatz), die gleichheitswidrig ist.

Im zweiten Lockdown bekommen nunmehr die Handelsbetriebe einen Umsatzersatz zwischen 20 Prozent und 60 Prozent. Der Finanzminister begründet die Schlechterstellung gegenüber der Gastronomie und dem Tourismus, die 80 Prozent erhalten, vor allem damit, dass aufgrund der unterschiedlichen Deckungsbeiträge auch eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen Branchen vorzunehmen ist. Er beruft sich dabei auf den Gleichheitsgrundsatz. Das klingt logisch, ist aber genau das Gegenteil.

Zum Faktencheck:

Der Deckungsbeitrag – die Differenz zwischen dem Umsatz und dem Wareneinsatz – beträgt beispielshaft in der Stadthotelerie 80 Prozent. Demgegenüber steht ein Deckungsbeitrag von 40 Prozent bei den Handelsbetrieben. Diese Kennzahl ist jedoch kein geeigneter Maßstab, um die Folgen des Lockdown für die Betriebe zu berechnen.

Mit dem Umsatz werden üblicherweise sämtliche Aufwendungen und der Gewinn abgedeckt. Während der Wareneinsatz bei den Handelsbetrieben der höchste Kostenfaktor ist, was logisch ist, weil Waren ein- und verkauft werden, stellen in der Gastronomie die Personalkosten die höchsten Belastungen dar. Und jetzt kommt der Denkfehler des Finanzministers: Die Handelsbetriebe ordern ihre Waren mindestens ein halbes Jahr vor der Saison. Sie müssen die Lieferantenrechnungen bezahlen und erleiden einen zusätzlichen Verlust durch die modische Abwertung der Waren, da diese aufgrund der Schließung nicht verkauft werden können. Im Gegensatz dazu erhalten die Gastronomiebetriebe aufgrund der höheren Personalkosten die doppelte Kurzarbeitsbeihilfe, welche nicht auf den Umsatzersatz anzurechnen ist.

Während bei den Gastronomiebetrieben in der Lockdown-Phase zusätzlich auch kein Wareneinsatz anfällt, erhalten sie dennoch im Durchschnitt eine doppelt so hohe Förderung als die Handelsbetriebe. Dies, obgleich sie von der Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 10 Prozent bzw. 20 Prozent auf 5 Prozent bereits überproportional profitieren. Bedingt durch die unveränderten Preise gilt in diesem Fall die Formel: Mehrumsatz = Gewinn. Diese Bevorzugung ist sachlich nicht zu begründen und daher verfassungswidrig.

Die Rechtfertigung der Schlechterstellung der Handelsbetriebe mit dem unterschiedlichen Deckungsbeitrag der Branchen ist eine Beleidigung der Intelligenz der Betroffenen. Vor dem Höchstgericht muss dem Finanzminister schon was Besseres einfallen.

Statt sich im Labyrinth der Betriebswirtschaftslehre zu verirren, wäre es ehrlicher gewesen, wenn Gernot Blümel ausgeführt hätte, dass er, aufgrund der vorherrschenden Lobbyverhältnisse in Österreich, bei den Verhandlungen mit der Gastronomie nur Befehlsempfänger war.