Lehren aus der Regierungskrise

In Österreich hat man sich in der Politik an Verhältnisse wie auf dem Balkan bereits gewöhnt. Ob Postenbesetzungen, Auftragsvergaben oder Vermögensverschleuderungen. Die jetzige kurz(e) Regierungskrise hat jedoch ein neues Kapitel offenbahrt.

“Wer zahlt schafft an” – nach diesem Motto wurde die seit Jahrzehnten praktizierte message control zur Perfektion gebracht. Zwar weiß jeder der mit Medien zu tun hat, dass diese als Wirtschaftsunternehmen bei einem entsprechenden Inseratenaufkommen allzu gerne auf die Einhaltung ihres Ehrenkodex – Trennung zwischen der redaktionellen Berichterstattung und dem Inseratenverkauf – vergessen. Die Art und Weise wie dieses Part of the game tool in der Praxis eingesetzt wurde überstieg die schlimmsten Befürchtungen. Zum Fremdschämen qua Vulgarität und Servilität bis hinter den (Kurz)Ohren.

Jetzt ist der Virtuose der Selbstvermarktung Sebastian Kurz zum Inbegriff der Medienkorruption geworden. So schnell kann es gehen. Vor der Liebeshochzeit mit dem Medien hätte sich der Bundeskanzler an das geflügelte Wort im Zauberlehrling erinnern sollen: “Die ich rief, die Geister/werde ich nun nicht los”.

Die öffentliche Hand hat im Jahr 2020 für Werbung 222 Millionen ausgegeben. Das Spielkapital für die gekaufte Medienberichterstattung. 80 Mitarbeiter für Medien im Bundeskanzleramt sorgen für deren Umsetzung.

Freunderlwirtschaft ist in Österreich nichts Neues. Die PR-Maschinerie die Kurz und Co. in Gang gesetzt haben, gefährdet nicht nur die Demokratie, sondern hat auch das ungustiöse Zusammenspiel zwischen der Politik und den Medien offengelegt.

Mit der Entrüstung über die aufgedeckten Korruptionsvorwürfe und dem side step von Sebastian Kurz, darf die causa nicht als erledigt abgelegt werden. Wenn man die Trennung von Berichterstattung und Inserate ernst nimmt, um einen funktionierenden und nicht gekauften Journalismus sicherzustellen, muss die Medienpolitik in Österreich auf neue Beine gestellt werden:

1. Reform der Medienförderung: Keine Vergabe nach Sympathien, sondern ein transparenter Rechtsanspruch bei Erfüllung der Qualitätskriterien und Förderung der regionalen Vielfalt der Tageszeitungen.

2. Inserate der öffentlichen Hand für Werbung dürfen nur dann geschaltet werden, wenn diese vorher von einer unabhängigen Expertenkommission auf ihren Informationsgehalt im öffentlichen Interesse geprüft und genehmigt werden.

Die ersparten Mittel könnten für einen Fonds, der Umweltinnovationen fördert, eingesetzt werden. Steuergeld für die Zukunft Österreichs und nicht für die eigene Vermarktung in der Öffentlichkeit.

Das Vertrauen in die Politik und die Medien wurde (wieder einmal) erschüttert. Nur eine transparente Medienförderung ist der Garant dafür, dass die Medien als 4. Macht im Staat ihrer Rolle gerecht werden können. Die Ära des Stimmenkaufs mit Inseraten muss mit Schall(enberg) und Rauch beseitigt werden. Kurz und bündig: Das Ende der Pressmafia (Karl Kraus).

PS: Zweierlei Maß

Der LH Peter Kaiser kritisiert den Rückzug von Sebastian Kurz und spricht von einer Farce. Dabei dürfte er vergessen haben, dass gegen ihn und mehrere seiner Mitarbeiter wegen des Verdachtes der Untreue und des Amtsmissbrauchs in der Causa Top Team jahrelang ermittelt wurde. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat die im Entwurf bereits vorgelegte Anklageschrift zurückgewiesen und wurde schließlich das Verfahren eingestellt. Ein Rücktritt war für ihn in diesem Stadium des Verfahrens kein Thema. Politische Doppelmoral in Abhängigkeit der Farbenlehre.