Das Knockout-Kriterium für den Wahlsieger Peter Kaiser bei der Auswahl des Koalitionspartners war bzw. ist die Verlässlichkeit des Partners. Aufgrund der Erfahrungen mit der ÖVP in der Vergangenheit hat er dieses Kriterium in der Prioritätenliste an die oberste Stelle gesetzt.
Jetzt ist der ÖVP-Obmann Christian Benger, nachdem die Koalitionsverhandlungen erfolgreich beendet wurden, zurückgetreten. Für jene, die sich mit der Außenwirkung des Landesrates und dem Misserfolg bei der letzten Landtagswahl beschäftigt haben, war diese Aktion wenig überraschend.
Für Landeshauptmann Peter Kaiser ist jedoch der Supergau eingetreten. Nach einer Schrecksekunde hat er das Dilemma der ÖVP zugunsten seiner Partei genutzt: Jetzt verlangt er vom Koalitionspartner eine Änderung der neuen Landesverfassung und zwar dahingehend, dass die Beschlüsse in der Regierung nicht mehr einstimmig zu fassen sind, sondern auch Mehrheitsentscheidungen auf der Tagesordnung stehen können. Peter Kaiser nennt dies die „Vertrauenshürde, ohne die nichts mehr geht“. Die Verknüpfung von Koalitionsgesprächen mit einer Verfassungsänderung ist in Österreich jedoch ein Novum.
Sinn und Zweck des Einstimmigkeitsprinzips in der geänderten Kärntner Landesverfassung im Artikel 55 Abs. 3 war es, sicherzustellen, dass innerhalb der Regierung eine Machtbalance vorherrscht. Kein Koalitionspartner sollte den anderen über den Tisch ziehen können. Die Einstimmigkeit verlangt den größten gemeinsamen Nenner und ist eine der Kernpunkte der neuen Kärntner Landesverfassung; diese Bestimmung gibt es im Übrigen auch in den Landesverfassungen anderer Bundesländer.
Mit dieser Verfassungsänderung, die die SPÖ zur „Vertrauenshürde“ macht, zündet sie den Machtturbo: In der Regierung verfügt sie über die Mehrheit und kann somit jeden Beschluss auch gegen den Willen der ÖVP durchsetzen. Dass dabei der Geist der neuen Kärntner Landesverfassung aus der Flasche tritt, stört in diesem Land niemanden. Auch für die Kleine Zeitung ist diese angestrebte Machtkonzentration kein Thema, was aber nicht verwunderlich ist, wenn man den Paarlauf zwischen Politik und der führenden Regionalzeitung verfolgt. In der „Kärnten heute DABEI“ Sendung des ORF vom 23. März 2018 konnte man sich selbst darüber ein Bild machen.
Dass die ÖVP diesem Diktat der SPÖ zustimmen wird, steht außer Zweifel. Um an der Macht zu bleiben, hat sie auch ihr Wahlkampfversprechen, im Kärntner Gesundheitswesen jährlich 140 Millionen Euro einzusparen, bereits bei den Sondierungsgesprächen gebrochen.
Und etwas spricht auch noch für die SPÖ-ÖVP-Koalition: Der zukünftig gehandelte ÖVP-Landesrat Ulrich Zafoschnig war in der Vergangenheit ein verlässlicher Partner für die SPÖ, wenn es darum ging, die Vereinbarung mit dem Bund im Zusammenhang mit der HETA-Last als Erfolg für das Land zu verkaufen. Es besteht somit keine Befürchtung, dass es zu einer Nachverhandlung mit dem Bund kommt, da an dem Märchen, dass das Land Kärnten mit der Zahlung von 1,2 Milliarden Euro gut ausgestiegen ist, nicht gerüttelt werden darf.
Fazit: Kriterien der Vergangenheit sind für die Zukunft Schall und Rauch. Wenn es darum geht, die eigene Macht noch zu stärken und sei dies auch durch eine Junktimierung einer Verfassungsänderung anlässlich von Koalitionsverhandlungen, ist der Kriterienkatalog löchrig wie ein Emmentaler. Das Pfandrecht der politischen Macht ist stärker als die Vernunft. Mit der Verfassungsänderung braucht die SPÖ keinen Partner mehr, sondern lediglich einen “Wasserträger”, und ist die ÖVP mit dieser Aufgabenzuteilung offensichtlich einverstanden. Aus einer Koalition wird dadurch eine “Desolation”.