Auch auf die Gefahr, dass man mit einer Kritik an der militärischen Kriegsführung Israels die rote Linie der Mainstream Medien überschreitet, muss man darüber reden. Die Verletzung des humanitären Völkerrechtes durch die Hamas rechtfertigt keine Verletzung dieses Rechts durch Israel.
Der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant hat die Politik Israels nach dem Terrorakt der Hamas wie folgt zusammengefasst: „Wir bekämpfen menschliche Tiere, und wir handeln danach“. Die Konsequenz dieser Haltung ist die Tötung von mehr als zehntausend Menschen – die meisten davon Frauen und Kinder – Zerstörung der lebensnotwendigen Infrastruktur und menschliches unbeschreibliches Leid für die Zivilbevölkerung.
Die Grundprinzipien des humanitären Völkerrechtes werden dem Ziel – die Vernichtung der Hamas – untergeordnet. Auch die Vertreibung von einer Million Menschen und die Bombardierung von Flüchtlingslagern und Krankenhäuser sind aus israelischer Sicht den militärischen Erfolg geschuldet und verhältnismäßig.
Aufgrund des historischen Schuldgefühls gibt es seitens der Europäer keine ernsthafte Kritik an der israelischen Kriegsführung. Die logische Folge dieser Eskalation ist, dass sie den Nährboden für zukünftige Konflikte bildet.
Israel kann nur deshalb so agieren, weil es auf die uneingeschränkte Unterstützung der USA zählen kann. Sie liefern die Waffen und sind die größten Geldgeber.
Die radikalen Kräfte der Netanjahu-Regierung träumen sogar davon, dass abertausende palästinensische Flüchtlinge dauerhaft aus dem Gazastreifen vertrieben werden; ein neues Nakba. In der Folge sollte die palästinensische Autonomiebehörde (PA), die die Bevölkerung als verlängerter Arm der Besatzung (Israel) wahrnimmt, die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen.
Einen Tag vor dem Attentat der Hamas hat die international renommierte Politikprofessorin Amaney Jamal aus Princeton eine Studie veröffentlicht, wonach die Mehrheit der Palästinenser das Existenzrecht Israels anerkennt und sich dafür ausspricht, dass der Präsident der PA Mahmud Abbas zurücktritt. Es ist zu befürchten, dass diese Einstellung nach den Angriffen der israelischen Armee nicht mehr vorhanden ist.
Die inhumanen Kollateralschäden der israelischen Kriegsführung – nach Angaben des UN Hilfswerkes UNRWA können nicht einmal 40 % der Nahrungsmittel, die gebraucht würden, zur Verfügung gestellt werden und wurden bereits 40 Journalisten und über 100 UN-Mitarbeiter getötet – lassen eine Lösung des Nahostproblems in weite Ferne rücken.
Die einzige Option zur Lösung des seit Jahrzehnten schwelenden Konfliktes liegt darin, dass die internationale Gemeinschaft die palästinensischen Gebiete kontrolliert und sicherstellt, dass einerseits keine Angriffe gegen Israel stattfinden und andererseits Israel das Osloer Friedensabkommen einhält und somit einen souveränen Staat für die Palästinenser in den Gebieten anerkennt. Die Alternative ist noch mehr Gewalt, mehr Angst und mehr Hass. Letztlich ein endzeitlicher Kampf, der auf die Vertreibung des einen oder anderen hinausläuft.
Israelis und Palästinenser eint die Erfahrung der Vertreibung und des Exils. Aus dieser Verbundenheit kann und muss der Frieden erwachsen. Das Ziel ist die Wiederbelebung der Zweistaatenlösung. Je mehr Zivilisten jedoch sterben und je furchtbarer die humanitäre Lage in Gaza ist, desto aussichtsloser sind die Verhandlungen am „Tag danach“.
Ohne einem Machtwort der Amerikaner und auch Empathie für das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung wird der Wahnsinn kein Ende nehmen.
Der jüngste Nahostkonflikt offenbart auch die westliche Doppelmoral: Im Fall Israels die jahrelange Akzeptanz einer illegalen Siedlungspolitik im Westjordanland (500.000 Siedler) und die Duldung der Nichteinhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien und im Falle sonstiger Brandherde, Härte und Sanktionen. Es hat den Anschein, dass es auch in diesem Fall um geopolitische und wirtschaftliche Interessen geht. Menschenleben spielen dabei keine Rolle. Das ist die traurige Wahrheit.