Memento Mori

Der lateinische Vergänglichkeitsspruch „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“, ist in Zeiten der Corona Krise aktueller denn je. Im dunklen Jahrhundert haben schwere Missstände das kirchliche Leben moralisch auf einen Tiefpunkt sinken lassen. Die Gegenbewegung zu Beginn des Hochmittelalters wurde durch Askese eingeleitet. Auch der gegenwärtige Schock könnte heilsam sein, um zu einem Neuanfang in eine gerechtere Welt zu führen. Was damals eine Reinigung von allem Weltlichen innerhalb der Kirche war, entspricht heute einer Kehrtwende vom Hyperkapitalismus. Die 3 G’s (Gewinnmaximierung, Gier und Geiz) müssen durch Gemeinsinn, Sicherung der Daseinsvorsorge und Resilienz ersetzt werden.

Die mit der Corona Krise geborene Angst ist für eine neue sozial-ökologische Wirtschaftsordnung, in welcher mehr Menschen vor Ort an der Produktion beteiligt und unsere Lebensgrundlagen – Umwelt und Natur – geschützt werden, zu nutzen.

Der Beginn einer neuen Welt ist mit einer radikalen Veränderung verbunden. Die Prä-Corona-Zeit war schon seit längerem eine Dekadenzphase der sozialen Ungleichheiten, die eine Vielzahl von Verlierern hervorbrachte. Statt Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, ist jetzt Zügelung und Zähmung angesagt. Ein Paradigmenwechsel um das Unwohlsein in einer nicht nachhaltigen Welt, die zu einer skandalösen Kluft zwischen Arm und Reich geführt hat, zu beseitigen.

Zu Beginn einer Epochenwende ist es wichtig die richtigen Fragen zu stellen:

  1. Welche Einschränkungen sind notwendig, damit zukünftig sichergestellt ist, dass lebensnotwendige Produkte, wie beispielshaft Masken und Medikamente, wieder in Europa produziert werden und nicht in Fernost, um die Abhängigkeit zu reduzieren?
  2. Wie wird sichergestellt, dass als Folge der Krise Konzerne nicht noch mächtiger werden und der Mittelstand stirbt?
  3. Werden die Mittel zur Rückführung der Corona-Schulden wieder von den 99 Prozent aufgebracht, während das 1 Prozent zwar die Wohltaten der staatlichen Ordnung nutzt während sie ihren Beitrag zum Gemeinwohl zu Lasten der Mehrheit durch bedenkliche Steuer- und Rechtskonstruktionen klein rechnen?
  4. Werden aus Respekt vor Leben und Gesundheit sowie Verantwortung für die nächste Generation, bei den anstehenden Konjunkturprogrammen zur Wiederbelebung der Wirtschaft, die regionalen Produzenten aus Nachhaltigkeits- und Wertschöpfungsgründen im Fokus der Förderpolitik stehen und Konzerne, die Gewinne in Steueroasen verlagern, vom Fördertopf ausgeschlossen?
  5. Erfolgt eine Entlastung des Faktors Arbeit, da durch die virenresistente Digital- und Robotisierung in Verbindung mit der künstlichen Intelligenz der Stellenwert der menschlichen Arbeitskraft sinkt?

Die negative Entwicklung in der Vergangenheit zu Lasten der Allgemeinheit, wird am Beispiel der stationären Alten- und Pflegeheime veranschaulicht.

Die menschenwürdige Betreuung der älteren Generation steht im Pflichtenheft einer zivilisierten Gesellschaft ganz oben. Der Staat kommt dieser Aufgabe durch Direktzahlungen an die Betroffenen und Übernahme der Kosten für Unterkunft und Verpflegung nach. Während in den Anfangszeiten kirchliche und gemeinnützige Rechtsträger sowie öffentliche Institutionen Betreiber der Alten- und Pflegeheime waren, sind jetzt private Investoren die big player.

Die Kombination einer demographisch bedingt steigenden Nachfrage mit garantierten Tagsätzen aus öffentlichen Mitteln, war der Anreiz für die schleichende Privatisierung. Heute stehen fast alle stationären Pflegeheime im Eigentum von privaten Investoren bzw. Konzernen. Die Entwicklung hat dazu geführt, dass 80 Prozent der Gelder an stationäre und 20 Prozent an ambulante Einrichtungen fließen, obgleich das Verhältnis der zu betreuenden Personen genau umgekehrt ist. Eine Fehlallokation der Steuergelder und gleichzeitig eine gesellschaftspolitisch bedenkliche Entwicklung in Richtung Abschiebung der Pflegebedürftigen in Heime.

Ein Blick in die Bilanzen der Heimbetreiber zeigt, dass die Platzhirsche qua öffentlicher Unterstützung jedes Jahr Millionengewinne erzielen. Und wenn dann Anstalten verkauft werden, wird richtig Kassa gemacht. Da sind dann Kaufpreise im hohen zweistelligen Millionenbereich keine Seltenheit. Die Werttreiber für die Gewinne sind eine bescheidene Entlohnung für die Pflegekräfte und Einsparungen bei den Pflegeleistungen. Das ist die Kehrseite der Medaille.

Die Alten-Formel der Privatisierung lautet: Je weniger Betreuung, desto mehr Cash. Dass sogar im Bereich der Sozialfürsorge die Profitgier zuschlägt, steht im krassen Widerspruch zum Anspruch einer menschengerechten Pflege.

In Anbetracht des „Memento Mori-Gedankens“ besteht für den Kapitalismus als Lehre aus der Krise nur dann eine Überlebenschance, wenn bei der Beantwortung der obigen Fragen die Interessen der Allgemeinheit im Mittelpunkt stehen. Neben der bewiesenen Solidarität im Gesundheitsbereich, ist diese auch für den wirtschaftlichen Sektor erforderlich, da widrigenfalls das Virus zu jenem Ende führt, den bereits Karl Marx vorausgesagt hat.