Das Trilemma der Pandemie:
Humanität
Wohlstand Demokratie
Covid-19 zwingt uns zu Entscheidungen, die die Grundlage unserer Gesellschaftsordnung verändern. Die Politik muss in dieser existenziellen Krise eine Abwägung von Gütern vornehmen und den Menschen mitteilen, dass ein monatelanger Lockdown nicht ohne gravierende Folgen für die Allgemeinheit möglich ist. Notwendig ist eine Gegenüberstellung des wirtschaftlichen Schadens des künstlichen Komas mit den Menschenleben, die eine Ausbreitung des Corona-Virus kosten würde; in normalen Zeiten ein Tabuthema.
Die Regierung hat in Anbetracht der exponentiellen Ausbreitung des Virus unter Zugrundelegung der Fachexpertise von Virologen und Mathematikern Zwangsmaßnahmen beschlossen, um einen Zusammenbruch der Gesundheits-versorgung zu vermeiden. Das Nichtstun hätte im schlimmsten Fall eine unbegreifliche Zahl an Todesfällen nach sich gezogen.
Die Entscheidung erfolgte unter Unsicherheit: Man weiß bis heute nicht wie gefährlich Covid-19 überhaupt ist – es gibt keine repräsentative Zufallsauswahl der Bevölkerung über einen längeren Zeitraum -, wie ansteckend jemand ist, der das Virus in sich trägt und wie viele infizierte Menschen erkranken bzw. sterben. Es gibt auch keinen Überblick über den Grad der Durchseuchung – somit wie viele Menschen unbemerkt bereits immun sind. Daher sind alle Statistiken Makulatur, da bei einer fehlenden Grundgesamtheit die Rate der Mortalität und der Intensivbehandlung nicht berechnet werden können.
Der Staat ist seiner Verpflichtung Gesundheit und Menschenleben zu schützen nachgekommen. Jetzt stellt sich jedoch die Frage, wie lange dieser die Wirtschaft mit Subventionen, Kreditprogrammen und Sozialleistungen über Wasser halten kann. Nach Einschätzung namhafter Wirtschaftsexperten führt ein Shutdown von drei Monaten zu einem Rückgang des BIP von bis zu 20 Prozent was mit dem Zusammenbruch des marktwirtschaftlichen Gesamtsystems gleichzusetzen ist. Massenarbeitslosigkeit, Staats- und Unternehmenspleiten sowie die Erodierung des Finanz- und Bankensystems wären dann die unausweichlichen Folgen. Es käme zu einem sprunghaften Anstieg der Inflation und/oder zu einer Währungsreform.
Um diesen ökonomischen Supergau zu vermeiden, ist jetzt bei Abwägung der Güter eine Umkehrisolation alternativlos: Die jüngere, gesunde Bevölkerung könnte dann wieder ein einigermaßen normales Leben führen und nur die älteren und vorerkrankten Patienten müssten weiter mit größeren Einschränkungen leben. Ein Strategiewechsel, welcher ein kontrolliertes Auf und Ab der Infektionen begünstigt, um die Bevölkerung zu immunisieren und die Welle abzuflachen.
Man kann den Virus nicht einfach aussitzen und ein dauerhafter Lockdown führt nicht nur zu Depressionen, Suiziden, Angst und häuslicher Gewalt, sondern gefährdet auch das Leben von schutzbedürftigen Gruppen, wie beispielhaft Patienten, deren Behandlung zu Gunsten von Corona-Patienten ausgesetzt wird.
Man muss die Abwehr etwas schleifen lassen, damit sich auch viele Menschen infizieren können, die dann auch immun sind. Verhindert man den Virus mit allen Mitteln an der Verbreitung, fände bei erster Gelegenheit das Virus mangels Immunität wieder reichlich Beute.
Dieser Strategiewechsel ist auch der Unwissenheit geschuldet, weil man bis dato mangels validem Datenmaterial nicht weiß, ob der Virus am Ende nicht weniger verheerend auftritt, als eine schlimme Grippe.
Als Folge der Pandemie wurden die Freiheitsrechte der Demokratie, nämlich die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit, beschnitten. Nach der ersten Phase besteht nunmehr die Gefahr, dass eine schwere Rezession die Position der Populisten und Autoritären stärkt und somit sogar die Demokratie gefährdet.
Die Auflösung des Trilemmas der größten Krise seit dem 2. Weltkrieg, verlangt ein Abwägen zwischen dem Risiko für viele Ältere mit der Belastung der jungen Generation durch Wirtschaftseinbruch und Schulden unter Berücksichtigung der Aufrechterhaltung der demokratischen Strukturen.
Zur Bekämpfung der Pandemie werden von den einzelnen Ländern Kredite in Milliardenhöhe (Bazooka) aufgenommen, um den Showdown des marktwirtschaftlichen Gesamtsystems zu verhindern. Ob jemals eine Rückzahlung möglich ist bleibt dabei ausgeblendet, da die Existenzgefährdung alle Bedenken außer Kraft setzt.
Man braucht kein Prophet zu sein, um vorher zu sagen, dass einzelne Länder wie beispielshaft Italien ohne fremde Hilfe ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen wird können. Dann bleibt als Ausweg nur mehr ein Schuldenschnitt oder die Einführung einer neuen Währung; beides käme einer Vergemeinschaftung von Schulden gleich. Dass es sich dabei um einen Verstoß der No-Bailout-Klausel – kein Mitgliedstaat haftet für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten – handelt, spielt dabei keine Rolle. Der Virus ist stärker als das Regelwerk der EU.
Wenn die EU jetzt nicht einen Hilfsfonds für die einzelnen Mitgliedstaaten ins Leben ruft, dann war der Brexit erst der Anfang. Die Mittel für diesen Fonds müssten wie folgt aufgebracht werden:
- Zölle für alle Einfuhren aus China.
- Schließung der Steueroasen und
- Finanztransaktionssteuer.
Ad 1.: Seit Jahren steigt das Handelsbilanzdefizit zwischen der EU und China; zuletzt betrug dieses 185 Milliarden Euro (2018). Die Chinesen subventionieren ihre Betriebe, die dann ihre Produkte zu Dumpingpreisen exportieren und zerstören damit ganze Industriezweige in Europa (z.B. die Produktion von Solarzellen). Die Missachtung von Umweltgesetzen, Sozialstandards und Sicherheitsvorschriften, führt zu Wettbewerbsverzerrungen und Abhängigkeiten. Einen Teil des Handelsbilanzüberschusses verwenden die Chinesen dafür, um die Hidden Champions in Europa aufzukaufen.
Ein Zoll von 10 Prozent, solange bis die Handelsbilanz wieder ausgeglichen ist, beschleunigt das notwendige Umdenken gegen den sozialen und ökologischen Raubbau aus China und würde jährliche Einnahmen in Milliardenhöhe bringen. Das heute aufgrund der Mängel an Schutzmasken und -bekleidung Menschen sterben müssen, nur weil wir nicht mehr in der Lage sind diese aus Gründen der Gewinnmaximierung selbst zu produzieren, spricht für sich. Zukünftig müssen solche Güter wieder in Europa hergestellt werden, um die Existenz der Menschen zu sichern. Eine Einfuhrbeschränkung ist das Mindeste was neben der Ausgleichsabgabe (Zoll) zu beschließen sein wird.
Ad 2.: Ausgaben, die in einem anderen Land nicht mit mindestens 10 Prozent besteuert werden, dürfen zukünftig steuerlich nicht mehr anerkannt werden. Eine einfache Regel um den Steueroasenartisten das Handwerk zu legen. Die geschätzten Einnahmen aus der Schließung der Steueroasen beträgt in der EU pro Jahr 120 Milliarden Euro. Das Amazon & Co jetzt in der größten Krise in der Nachkriegszeit noch mehr abcashen und keine Steuern zahlen, ist ein Verbrechen an der Menschheit.
Ad 3.: Um den Spekulanten, die jede Krise noch verstärken, indem sie auffallende Kurse setzen, einen Riegel vorzuschieben, müssen Derivat- und Devisengeschäfte besteuert werden. Das würde auch zu einer Stabilisierung der Finanzmärkte und zu beträchtlichen Einnahmen führen. Im Übrigen wäre es spannend zu wissen, wer in der jetzigen Krise als Insider auffallende Kurse gewettet hat; Leerverkäufe inklusive.
Man kann jetzt nach der Krise nicht wieder jene zur Kasse bitten, die am Schwächsten sind. Die Zeiten des Casino-Kapitalismus gehören nach dem Corona-Virus der Vergangenheit an.
Conclusio: Nach dem Lockdown muss jetzt der Zusammenbruch des marktwirtschaftlichen Gesamtsystems verhindert werden. Dies erfordert einen Strategiewechsel, und zwar eine Differenzierung der einschränkenden Maßnahmen je nach Gefährdungsgrad. Nur so kann man Gesundheit die drei konkurrierenden Ziele – Humanität, Wohlstand und Demokratie – unter einen Hut bringen.
Die Bewältigung der neuen Schuldenlast kann nur durch Gründung eines EU-Hilfsfonds erfolgen. Dabei ist die Frage entscheidend, wie die Finanzierung desselben erfolgt. Die Bazooka erfordert eine Neuordnung der Wirtschaftsbeziehungen mit China und die Zügelung der kapitalistischen Parasiten. Eine Belastung der Allgemeinheit und da wiederum der Schwächsten, wird sich nicht mehr spielen. Ohne einer Kurskorrektur ist die Atomisierung der EU nicht mehr aufhaltbar.