Für die Politik war die Causa Hypo eine historische Chance für eine Abrechnung und für die Medien das Dauerthema in der Berichterstattung.
Beiden gemeinsam war das Ziel der Skandalisierung, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen: Die Politik hatte noch eine offene Rechnung mit dem verstorbenen Landeshauptmann Haider, und in den Medien wurde staccato-mäßig auf das Kreditinstitut eingeschlagen. Zu Wort und Bild kamen fast ausschließlich sogenannte Experten, die in die Mainstreamuntergangs- und ‑korruptionsverschwörung eingestimmt haben. Wenn beispielhaft der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Hypo, Johannes Ditz, der von der ÖVP nominiert wurde, sich zu Wort gemeldet hat und mitteilte, dass bei einer ordentlichen Abwicklung der Hypo unter dem Strich für den Staat keine Belastung herausschaut, wurde dieser kurzerhand abberufen. Auch in meinem Fall hat die Chefredaktion der Kleinen Zeitung meine Kommentare zur Hypo, die nicht der Blattlinie entsprachen, dies zum Anlass genommen mir mitzuteilen, dass sie zukünftig meine Artikel nur mehr dann veröffentlichen, wenn eine vorherige Abstimmung mit der Redaktion erfolgt. Auf diese Zensur habe ich dankend verzichtet und meine langjährige (unentgeltliche) Zusammenarbeit mit der Kleinen Zeitung beendet.
Was ist nun beim größten Bankenskandal der österreichischen Geschichte unter dem Strich tatsächlich herausgekommen?
Der Bund hat der Hypo in der Summe € 4,3 Milliarden zur Verfügung gestellt, und wird sich dieser nach Abzug des noch zu erwartenden Recovery vom Kärntner Ausgleichszahlungs-Fonds (KAF) letztlich auf € 4 Milliarden reduzieren. Das Land Kärnten hat im Zusammenhang mit der Übernahme der Ausfallsbürgschaft für die Schulden der Hypo gemäß § 1356 ABGB – dies ist ein wesentlicher Knackpunkt: Es wurde nie eine Haftung übernommen, sondern lediglich eine Ausfallsbürgschaft, d.h. das Land wäre erst nach Abwicklung der Bank zur Kassa gebeten worden, sofern ein Saldo übergeblieben wäre, was jedoch – wie man aus heutiger Sicht weiß – nicht der Fall gewesen wäre – beim Bund einen Kredit in der Höhe von Euro € 1,2 Milliarden aufgenommen, und haftet dieser nach Auflösung des Zukunftsfonds noch mit € 800 Millionen aus.
Ursprünglich hat das Land Kärnten beim Verkauf der Anteile an der Hypo (36 %) an die BayernLB einen Betrag von Euro 809 Millionen erzielt. Für die restlichen Anteile (16 %) gab es eine Option zu gleichen Bedingungen; diese ist jedoch aufgrund der Notverstaatlichung wertlos geworden.
Was war der Fehler bei der Notverstaatlichung im Dezember 2009?
Der fachlich völlig überforderte Finanzminister Josef Pröll hat die Verhandlungen ohne Beiziehung von Fachexperten geführt. Kein Wunder, dass dieser gegenüber der BayernLB sogar das Zugeständnis gemacht hat, dass der Bund die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens in der Höhe von € 3,2 Milliarden, welches die Bayern der Hypo für die Expansion zur Verfügung gestellt hatte, garantiert hat. Dies, obgleich es sich bei dieser Finanzierung um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gehandelt hat, d.h. dass nach den Bestimmungen des Eigenkapitalersatzgesetzes (EKEG) die Rückzahlung erst nach Befriedigung sämtlicher Gläubiger vorgenommen werden hätte dürfen.
Der Jägermeister Josef Pröll stand jedoch unter mehrfachem Druck: Einerseits gab es den Haftungsverbund, wonach auch Raiffeisenbanken im Falle einer Pleite der Hypo zum Handkuss gekommen wären, und andererseits ergab sich die Möglichkeit, die Hypopleite dem verstorbenen Landeshauptmann Jörg Haider noch nachträglich in die Schuhe zu schieben. Als Dankeschön der Giebelkreuzler hat man dem Finanzminister nach seinem Ausscheiden aus dem Finanzministerium aus gesundheitlichen Gründen einen bestdotierten Managerposten angeboten. Postenvergabe à la Austria.
Dass dem damaligen Vorstand der Hypo, Franz Pinkl, von der BayernLB eine Provision in der Höhe von € 2 Millionen versprochen wurde, sofern er die Notverstaatlichung durchbringt – an ein Szenario, an welches selbst die Bayern nicht geglaubt haben –, sei nur am Rande erwähnt. Man kann sich vorstellen, wie der damalige Vorstand gegenüber dem Finanzminister die Lage der Bank geschildert hat, damit dieser seine Provision erhält.
Gleich nach der Notverstaatlichung wurde die Kommandobrücke der Hypo nach Wien verlegt. Peschorn & Co haben de facto das Kommando übernommen und als Einstandsgeschenk gleich einmal Beratungsaufträge ohne Ausschreibungen in dreistelliger Millionenhöhe vergeben und eine Taskforce Hypo mit 30 Mann ins Leben gerufen, damit jeder Beleg einmal umgedreht werden kann. Die Kärntner Justiz hat man mit Staatsanwälten aus anderen Bundesländern “verstärkt”. Das Land Kärnten wurde zum reinen Befehlsempfänger degradiert.
Wie in jedem Krimi musste es einen Schuldigen geben. Dieser war mit dem verstorbenen Landeshauptmann Jörg Haider leicht auszumachen. Nicht Märtyrer, sondern Landesverweser war die Devise. Um die Dramaturgie rund um die Hypo zu befeuern, haben sich der Nationalbankpräsident Ewald Nowotny – seine Behörde hat in der Vergangenheit die Hypo mehrmals geprüft und keinen Grund zur Beanstandung gefunden – und der Vorsitzende der staatlichen Banken AG (FIMBAG), Hannes Androsch, zu Wort gemeldet. Der Schaden im Zusammenhang mit der Hypo wurde von diesen mit € 10 – 15 Milliarden beziffert. Anstatt die Lage zu beruhigen, was die Aufgabe dieser Herren gewesen wäre, haben sie sich als Brandbeschleuniger profiliert.
Alle Fachexperten haben die rasche Gründung einer Bad Bank nach dem Vorbild in Deutschland vorgeschlagen, damit einerseits eine klare Trennung zwischen der Altlast und dem laufenden Geschäft erfolgen kann und andererseits die Eigenmittelvorschriften laut Basel 3 (8 % der Bilanzsumme) nicht mehr einzuhalten gewesen wären. Zur Erinnerung: Die Zuschüsse des Bundes an die Hypo im Ausmaß von € 4,3 Milliarden erfolgten ausschließlich zur Erfüllung der EU-weiten Kapitalvorschrift. Oder umgekehrt: Wenn man die Bad Bank nicht erst nach fünf Jahren gegründet hätte – der Grund dafür war die beharrliche Weigerung der damaligen Finanzministerin Maria Fekter, da diese die Schulden der Bad Bank nicht in ihrem Budget ausweisen wollte –, hätte sich der Bund die Gelder für die Hypo ersparen können. Bekanntlich ist in der Politik nicht immer die Logik der Vernunft der Maßstab für das Handeln.
Wenn jedoch weder Fachexpertise noch Hirn agieren, ist der Schaden vorprogrammiert. Darüber gefreut haben sich die Schnäppchenjäger, die im Rahmen des Verwertungsprozesses der Hypo günstig eingekauft haben. So wurde das gesamte Bankennetzwerk in Südosteuropa an einen amerikanischen Investmentfonds und an die Osteuropa Bank um € 50 Millionen veräußert. Die neuen Eigentümer haben die Addiko Bank (Hypo Alpe Adria Bank AG) im Sommer 2019 an die Wiener Börse gebracht, und beträgt der aktuelle Börsenwert € 285 Millionen. Da ist es dann auch nicht mehr verwunderlich, dass den neuen Eigentümern für die vorzeitige Rückzahlung der Finanzierungslinie ein Nachlass von € 250 Millionen gewährt wurde. Die Kehrseite dieser Medaille: Die Addiko Bank hat anlässlich ihres Börsenganges verlautbart, dass sie in den nächsten drei Jahren an ihre Aktionäre eine Dividende von € 182 Millionen ausschütten wird. Des einen Freud ist des anderen Leid.
Auch beim Verkauf der Hotel- und Appartementanlage in Savudrija hat die Hypo die neuen Eigentümer reichlich beschenkt. Ursprünglich gab es vom Betreiber der Anlage, der Kempinsky Gruppe, ein Angebot in dreistelliger Millionenhöhe. Dieses hat man dankend abgelehnt, um dann den Vermögenswert zu einem Schnäppchenpreis von € 80 Millionen zu verkaufen.
Und was ist bei den medienwirksamen Gerichtsprozessen herausgekommen?
Null Komma Josef. Weder weiß man bis heute wer die Profiteure der Hypo vor der Notverstaatlichung waren noch wohin das Geld verschwunden ist. Das ist keine Überraschung, weil der Hyposkandal in Wirklichkeit nichts Anderes war als die leichtfertige Vergabe von Krediten im Zusammenhang mit der Expansion, wobei nachgewiesenerweise die Hälfte der Kreditausfälle auf die Zeit der BayernLB entfiel, die den Wachstumsschub mittels Gesellschafterdarlehen finanzierte, die in der Folge Dank der Großzügigkeit des Finanzministers Josef Pröll wieder an die BayernLB zurückgezahlt wurden.
Und die Verurteilung von Kulterer & Co? Das war ein aufgelegter Elfmeter: Vor der Finanzkrise haben die Kreditinstitute auch Kredite ohne entsprechende werthaltige Sicherheiten vergeben. Ob Raiffeisen, Erste oder Volksbank – die Hypo war kein Einzelfall. Angeklagt wegen Untreue wurden jedoch nur die Vorstände der Hypo. Und nach deren Verurteilung hat der Gesetzgeber den Untreuetatbestand im Strafrecht entschärft. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Und welche Rolle spielte das Land Kärnten nach der Notverstaatlichung?
Jene des Watschenmannes. Zuerst musste man in die Opferrolle schlüpfen – der Jörgl wars, obgleich der damalige Beschluss zur Übernahme der Ausfallsbürgschaft für die Schulden der Hypo im Landtag von allen Parteien einstimmig gefasst wurde und die handelnden Personen zum Großteil die gleichen sind –, und in der Folge hat man sich damit zufriedengegeben darauf zu warten, welche Befehle von der Kommandobrücke aus Wien kamen. Eigeninitiative war ein Fremdwort. Weder ein Mitspracherecht im Rahmen der Abwicklung noch ein eigenständiger Vorschlag.
Weil es politisch nicht zu vertreten gewesen wäre, dass das Land keinen Beitrag zum Hypo-Skandal leistet, hat man noch schnell vor der Landtagswahl eine Vereinbarung abgeschlossen, in welcher sich unser Land verpflichtet hat, einen Betrag von Euro € 1,2 Milliarden zu bezahlen. Diesem Deal lag damals eine vermutete Verwertungsquote bei der Hypo von 60 % zugrunde. Heute wissen wir, dass diese über 90 % liegt, ohne dass diesbezüglich eine Reduzierung des Landesbeitrages – im Gegensatz zu den Bayern und den übrigen Gläubigern – erfolgte. Auf die Aufnahme einer Besserungsklausel hat man aus der Sicht des Landes Kärnten offensichtlich vergessen. Dafür hat man an die Berater einen Betrag von € 40 Millionen bezahlt – dies selbstverständlich ohne Ausschreibung –, wobei die Erfolgsprämie von € 20 Millionen “ohne ausdrücklich eine Kausalität zwischen Erfolg und Leistung des Finanzberaters zu verlangen” (Rechnungshofbericht 2019/4) gewährt wurde. Unsere Landespolitiker haben diese Vereinbarung mit tatkräftiger Unterstützung der Kleinen Zeitung als Erfolg – Rettung des Landes – verkauft. Nutznießer dieses Landesbeitrages ist der Bund.
Fazit: Eine Bestandsgefährdung der Hypo unter der Führung der BayernLB hat es nicht gegeben. Diese haben vielmehr in ihrer Beiratssitzung am 01.12.2009 eine Insolvenz dezidiert ausgeschlossen! Die Notverstaatlichung war ein Betriebsunfall der Republik Österreich, wozu auch die Erfolgsprämie an den damaligen Vorstand Franz Pinkl beigetragen hat. Dass der Finanzminister Josef Pröll die Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen der BayerLB trotz ihres Eigenkapitalcharakters garantiert hat, ist nur politisch erklärbar, da es keine sachliche Erklärung dafür gibt, dass man im Rahmen einer Notverstaatlichung dem Eigentümer die Rückzahlung seines eingesetzten Kapitals sicherstellt. Wäre man diese Verpflichtung gegenüber der BayernLB nicht eingegangen, hätte man auch keine Mittel für die Hyporettung aufbringen müssen. Auch bei rechtzeitiger Gründung einer Bad Bank – wie von den Fachleuten gefordert – hätte man sich ebenfalls die Mittel für die Einhaltung der Eigenkapitalquote sparen können. In Wien hält man jedoch nicht viel von “hätte”.
Trotz Inkaufnahme von hohen Verlusten im Rahmen der Verwertung reichte der Erlös aus, um alle Gläubiger zu befriedigen. Und weil es politisch nicht erklärbar gewesen wäre, dass das Land Kärnten keinen Beitrag zur Hypo leistet, wurde dieses zu einer Zahlung von € 1,2 Milliarden verpflichtet.
Causa Finita: Der Hyposkandal wird der Öffentlichkeit als solches im Gedächtnis verbleiben. Obgleich die Wahrheit eine Tochter der Zeit ist, ist die Zeit noch nicht reif für eine unpolitische Aufarbeitung des Hypokomplexes. Und von den Medien ist nicht zu erwarten, dass diese im Nachhinein mittels Veri- und Falsifikation ihre eigene Berichterstattung kritisch überprüfen. Das muss man auch als Buchsachverständiger zur Kenntnis nehmen.
Im Zuge der Ibiza-Affäre hat unser Bundespräsident den Satz geprägt: “So ist Österreich einfach nicht.” Vielleicht wird sich seine Einschätzung nach Aufarbeitung der Causa Hypo dahingehend ändern, dass dieser zur Kenntnis erlangt, dass die Verhältnisse in Österreich noch viel schlimmer sind!