Gleichgewicht statt Handelskrieg

Der derzeitige Handelskrieg ist die Folge jahrelanger Ungleichgewichte. Wenn Re­gionen immer mehr importieren als exportieren, dann führt dies langfristig zu einer unausweichlichen Schieflage.

Unter dem Strich sind Handelsbilanzen ein Nullsummenspiel. Der Forderung des ei­nen Landes steht die Schuld des anderen Landes gegenüber. Diese Umverteilung führt aber in jenen Ländern, die mehr konsumieren als sie produzieren, zwangsläufig zu negativen ökonomischen Auswirkungen. Durch die Verlagerung der Wert­schöpfung in das Ausland besteht die Gefahr einer Geiselhaft durch die Gläubiger.

Für die neoliberalen Globalisierungsfetischisten ist der Welthandel ein Glücksspiel­rad. Von den negativen Folgen eines nachhaltigen Handelsbilanzdefizits wird tun­lichst nicht gesprochen. Das ist der Mainstream der Konzernlobbyisten, die auftrags­gemäß das Prinzip der Gewinnmaximierung verfolgen. The payroll takes it all.

Analysiert man die Warenströme zwischen der EU und China, so zeigt sich, dass in den letzten Jahren das Handelsbilanzdefizit der EU dramatisch gestiegen ist. Im Jahr 2017 betrugen die Ausfuhren von der EU nach China 224 Milliarden Dollar und die Einfuhren von China 424 Milliarden Dollar; unter dem Strich ein Handelsbilanzdefizit in der Höhe von 200 Milliarden Dollar! Die logische Konsequenz ist, dass die Chine­sen mit ihrem Geldüberschuss europäische Hidden Champions aufkaufen und somit ihren Einfluss in Europa stetig ausbauen. Eine schleichende wirtschaftliche „Einwan­derungspolitik“.

Dieses Ungleichgewicht hat dazu geführt, dass China zur Supermacht aufgestiegen ist. Die chinesischen Direktinvestitionen in Europa betrugen voriges Jahr 29,7 Mil­liarden Euro. Allein in Deutschland wurden 43 Firmen übernommen. Bei den Akquisi­tionen geht es nicht um die Rendite, sondern um die Marke und den Technologie­transfer.

Die Vorzeichen haben sich geändert: Nicht China braucht Europa, sondern umge­kehrt. Aus einem Entwicklungsland ist ein übermächtiger Konkurrent geworden. Mit der Seidenstraßen-Initiative und dem 16 plus 1 Format – ein Zusammenschluss von mittel- und osteuropäischen Staaten mit China – wird der asiatische Einfluss in Europa weiter ausgebaut.

Und was macht die EU? Sie schaut diesem ganzen Treiben zu und regt sich hin und wieder auf, wenn Beteiligungen in einem strategischen Sektor mit wichtiger Bedeu­tung für die Zukunft von den Chinesen erworben werden. Das war es dann auch! Keine Ordnungspolitik und bestenfalls ein Achselzucken, wenn es um wettbewerbs­verzer­renden Maßnahmen der Chinesen, wie beispielhaft staatliche Subventionie­rungen der Exportpreise und Diebstahl von geistigem Eigentum, geht.

Die Amerikaner haben jetzt mit Zöllen gegen diese Entwicklung angekämpft. Donald Trump hat wenigstens den Mut gehabt, die negativen Folgen der Asymmetrie im Be­reich der internationalen Handelsbeziehungen zu thematisieren. Wie nicht anders zu erwarten, haben die Apologeten der „unsichtbaren Hand“ des Marktes diese Maß­nahme als Wirtschaftskrieg stigmatisiert. Das ist erstens völlig überzogen und zwei­tens eine Realitätsverweigerung. Die ungleichen Handelsbeziehungen haben letzt­lich dazu geführt, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinan­der geht, massenweise Arbeitsplätze in Billiglohnländer outgesourct wurden und die Umweltbelastung die Lebensgrundlage auf unserem Planeten gefährdet.

Die Gefahr des Trumpschen Modells ist, dass die Zölle als Teil der Kosten auf die Preise aufgeschlagen und somit die Konsumenten zur Kasse gebeten werden. Dank des US Präsidenten stehen die Handelsbilanzdefizite jedoch ganz oben auf der Agenda der mächtigsten Staaten. Und das müsste man nützen!

Es wäre die Aufgabe der EU, eine Lösung für Europa zu erar­beiten. Vorgeschlagen wird den Handelsbilanzüberschuss innerhalb der nächsten fünf Jahre abzubauen, wobei bei Nichterfüllung der Exporteur (China) Strafsteuern zu zahlen hätte.

Zur Begründung: Zölle sind aufgrund der Weiterbelastung auf die Konsumenten kei­ne Lösung. Die Notwendigkeit des Abbaus des Handelsbilanzdefizits zwischen der EU und China ist selbsterklärend. Wenn wir so weitermachen, findet eine schleichende Unterwanderung der europäischen Volkswirtschaft statt. Nur wenn man China dazu zwingt, den Handelsüberschuss gegenüber der EU abzubauen, be­kommt man die negativen Folgen eines dauerhaften Handelsbilanzdefizits aus der Sicht des Defizitlandes in den Griff, und das hilft auch wieder Arbeitsplätze in Europa zu schaffen.

Die EU als (noch) führender Wirtschaftsraum der Welt hätte es selbst in der Hand, die Handelsbeziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten zu fördern. Bereits jetzt werden fast drei Viertel der gesamten Handelsbeziehungen innerhalb der EU-Mitgliedstaaten abgewickelt. Man könnte anstelle einer von der USA aufoktroyierten Sanktionspolitik mit Russland ein Handelsabkommen abschließen. Das Ziel wäre eine Kooperationsvereinbarung, so wie es mit der Schweiz schon seit Jahren gang und gäbe ist. Dass die anderen Wirtschaftsregionen daran kein Interesse haben, ist aus ihrer Sicht verständlich.

Wenn es die EU weiterhin zulässt, dass Konzerne nahezu keine Steuern zahlen, eine Finanztransaktionssteuer trotz zigfacher Milliardenhilfen für die Banken ein Tabuthema bleibt und dem Abfluss der Wertschöpfung durch ständig steigende Handelsbilanzdefizite tatenlos zugesehen wird, dann erfüllt sie zwar die Interessen der Kon­zerne, verabschiedet sich aber vom Vertretungsmandat der EU-Bürger. Ohne einem radikalen Kurswechsel der EU braucht man sich über die Auflösungs­tendenzen nicht zu wundern. Die Probleme Europas wird man mit einem „weiter so wie bisher“ nicht lösen können. Europa braucht ein Gleichgewicht und keinen Han­delskrieg!