HYPO: “Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit”

Dass mit der Zeit die Wahrheit ans Licht kommt, wussten schon die alten Römer – das wird auch beim Hypo-Skandal nicht anders sein.

Zum medialen HYPO-Bashing: Es gibt keinen vergleichbaren Fall, bei welchem die Medien im Gleichklang als selbsterfüllende Propheten aufgetreten sind. Über Jahre war die HYPO Garant für negative Schlagzeilen. Dabei ging es nicht um Fakten, son­dern um das part of the Game Motto „Haut´s die HYPO“.

Für die veröffentlichte Meinung stand und steht es außer Zweifel, dass der verstorbene LH Jörg Haider der Mastermind des Hypo Debakels war. Ein gefundenes Fressen für die große Koalition: Einerseits betrieb die ÖVP erfolgreiche Klientelpolitik (Raiffeisen-Sektor) und andererseits konnte die SPÖ von den Versäumnissen im Rahmen der Aufsichts­kontrolle (Notenbank, Finanzprokuratur und Finanzministerium) ablenken.

Auch wenn es fast unmöglich erscheint, in einem solchen Umfeld den HYPO-Skandal aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten, ein Versuch ist es trotzdem wert:

  1. Verantwortlichkeit des verstorbenen LH Jörg Haider:

Richtig ist, dass unter der Ära des verstorbenen LH Jörg Haider die HYPO Alpe Adria „auf Teufel komm raus“ expandierte und dies nur durch die Übernahme der Ausfallsbürgschaft für Schulden der HYPO durch das Land Kärnten möglich war. Jörg Haider wollte als Konkurrenz zum Raiffeisen- und Sparkassensektor einen neuen Global Player im Banksektor in Österreich etablieren. Im Kärntner Landtag haben alle Parteien diesem Kurs zugestimmt. Kritische Stellungnah­men wurden ignoriert.

Anstatt die Bank an die Wand zu fahren, wurde im Jahr 2007 ein window of opportunity ge­nützt: Das Land Kärnten hat einen Teil seiner Hypo Anteile an die BayernLB veräußert. Mit dem Verkaufserlös wurde ein Zukunftsfonds mit über 800 Millionen Euro dotiert. Peter Kaiser und Reinhart Rohr sprachen da­mals von einer Verscherbelung des Familiensilbers.

Die Fremdüblichkeit der Höhe des Kaufpreises wurde von der Justiz in Bayern bestätigt: Das Strafverfahren gegen die damaligen Vorstände der BayernLB we­gen Untreue wurde aufgrund eines Sachverständigengutachtens, dass den Wert der HYPO zum Zeitpunkt des Verkaufs im Jahr 2007 bestätigt hat, einge­stellt. (Verkehrswert: zwischen 3 und 3,5 Milliarden Euro).

  1. Rolle der BayernLB

Nachdem die BayernLB bei der BAWAG abgeblitzt war, standen sie unter Er­folgsdruck. Die Übernahme der HYPO war somit aus der Sicht der Bayern ein must have. In den zwei Jahren, in denen die BayernLB die HYPO geführt hat, kam es zu einer Erhöhung der Bilanzsumme um 50 Prozent. Diese Turboex­pansion hat dazu geführt, dass die Hälfte aller Kreditausfälle auf die Zeit der Bayern entfiel. Die Finanzierung der Hyperexpansion erfolgte über Gesellschaf­terdarlehen.

  1. Notverstaatlichung

Dass bei der Notverstaatlichung die Republik von den Bayern über den Tisch gezogen wurde, kann man im Griss-Bericht nachlesen. Die „Verstaatlichung ohne Not“ war nicht der einzige Fehler. Der Verzicht auf sämtliche Gewähr­leis­tungsansprüche gegenüber der Verkäuferin und die Abgabe einer Rückzah­lungsgarantie iZm den Gesellschafterdarlehen – dies obgleich es sich hierbei um eigenkapitalersetzende Darlehen gehandelt hat, dh die BayernLB hätten erst nach Befriedigung aller anderen Gläubiger ihr Geld bekommen – sind die Hauptursachen für die Hypo Pleite. Copyright: Finanzministerium.

Wie sehr die Bayern mit Österreich Katz und Maus gespielt haben, sieht man an der Rolle des ehemaligen Vorstandes der Hypo Franz Pinkl. Seine Perfor­mance bestand darin, dass er die Kommunalkredit dem Staat umgehängt und für die ÖVAG eine milliardenschwere Staatshilfe organisiert hat. Aus der Sicht der Bayern die Idealbesetzung für das Finale „Bayern raus und Republik rein“. In einem Sideletter zu seinem Vorstandsvertrag wurde vereinbart, dass er für den Fall, dass es ihm gelingt, dass die Republik Österreich mehr als 50 Prozent an der HGAA übernimmt, ihm ein Sonderbonus in der Höhe von 1,875 Millionen Euro zusteht. Man kann sich vorstellen, wie Franz Pinkl in der Nacht der Not­verstaatlichung stattfand, dafür gekämpft hat, dass die Republik Eigentümerin der Hypo wird. Dass die BayernLB in ihrer Aufsichtsratssitzung die noch vor der Notverstaatlichung eine Insolvenz der Hypo wegen dem Reputationsrisiko aus­schloss, stand si­cherlich nicht auf der Besprechungsagenda des ehemaligen Hypo Vorstandes.

  1. Staatseigentum

Jeder Sanierer in der Privatwirtschaft hätte entweder Maßnahmen zur Gesun­dung der Bank umgesetzt oder aber – im Falle einer Negativanalyse – die so­for­tige Gründung einer Bad Bank veranlasst. Die öffentliche Hand als Eigentü­me­rin hat erst nach 5 Jahren eine Entscheidung getroffen und die Heta als Bad Bank gegründet. Kein Wunder, wenn man sieht, wie die Auswahl der Entschei­dungsträger durch die Politik erfolgte. Da wurden die Böcke zu Gärtnern ge­macht, somit jene Personen, die in der Vergangenheit zum multiplen Organver­sagen beigetragen haben – Verletzung der Aufsichts- und Kontrollpflicht – in neue verantwortungsvolle Positionen gehievt. Die Politik wollte den Mitverursa­chern des Hypo Debakels die Chance einräumen, ihre Fehler zu vertuschen

Dass der Kernbereich der HYPO, das Bankennetzwerk in Südosteuropa, um nur 50 Millionen Euro an einen amerikanischen Investmentfonds und an die Osteuropa-Bank verkauft wurde, ist ein Fall für sich. Das Eigenkapital der Addiko Bank – die neue Schalt­zentrale der Balkan Banken – zum 31. Dezember 2016 betrug 994,7 Millionen Euro (Eigenkapitalquote: 21,9 Prozent). Für die vorzeitige Rückzahlung der Finanzierungslinie wurde den neuen Eigentümern noch ein Nachlass von 250 Millionen Euro gewährt.

Für die Schnäppchenjäger war der Ausverkauf der Hypo ein Jahrhundertge­schäft. Wer nicht einmal 5 Prozent des bereinigten Eigenkapitals – sämtliche notleidenden Kredite wurden an die Heta ausgelagert – für den Erwerb eines Unternehmens aufbringen muss, für den ist Weihnachten und Ostern auf einem Tag. Üblicherweise beträgt der Kaufpreis zwischen dem Drei- bis Sechsfachen des Eigenkapitals. Das Ergebnis dieser Transaktion für den Steuerzahler: Ein Milliardenverlust.

  1. Schadenshöhe Bund

Der Bund hat der HYPO bis dato einen Betrag in der Höhe von 5,8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Mit einer Erhöhung dieser Summe ist nicht zu rech­nen.

Hätte man an die Bayern LB nicht die Gesellschafterdarlehen in Milliardenhöhe zurückgezahlt, nicht hunderte Millionen für Berater ausgegeben und die Ver­wertung professionell vorgenommen, wäre unter dem Strich kein Schaden ent­standen.

  1. Pflichtenheft Land Kärnten

Das Land Kärnten hat sich gegenüber dem Bund verpflichtet, einen Betrag von 1,2 Milliarden Euro zu übernehmen. Dabei ist man davon ausgegangen, dass der Erlös aus der Verwertung bei der HETA zwischen 4 bis 5 Milliarden Euro betragen wird. Jetzt weiß man, dass sich der tatsächliche Verwertungserlös – trotz Pleiten-, Pech- und Pannendienst – nahezu verdoppelt hat. Der Beitrag des Landes Kärnten müsste sich zumindest halbieren.

Bei der Erstverhandlung, bei welcher den Gläubigern eine Quote von 75 Pro­zent angeboten wurde, hätte das Land Kärnten nur 800  Millionen Euro bereit­stellen müssen. Jetzt hat sich die Situation drastisch verbessert und der Ein­zige, dessen Position sich verschlechtert hat, ist das Land Kärnten. Das ist nicht unlogisch und nur darauf zurückzuführen, dass das Land Kärnten bei der Ver­handlung mit dem Bund auf die Aufnahme einer Besserungsklausel „vergessen“ hat.

Die politisch Verantwortlichen des Landes sind verpflichtet, mit dem Bund Nach­verhandlungen zu führen und zwar mit dem Ziel, dass mit den Mitteln aus dem aufgelösten Zukunftsfonds die Causa HYPO für Kärnten ein für alle Mal erledigt ist.

  1. Rolle der Justiz

Die ehemaligen HYPO-Top Manager Wolfgang Kulterer und Günter Striedinger wurden zum Abschuss freigegeben. Sie wurden und werden bei jeder Gelegen­heit angeklagt. Geldflüsse im Zusammenhang mit dem kriminellen Treiben am Balkan blieben im Dunkeln. Wenn die SOKO HYPO Geldern auf der Spur war, hat die Staatsanwaltschaft dankend abgewunken.

Der ehemalige Justizminister Wolfgang Brandstetter hat schon in der Causa Birnbacher im Auftrag der Kärntner Landesholding ein Rechtsgutachten erstellt und festgestellt, dass das ursprüngliche Honorar in der Höhe von 12 Millionen Euro nicht von strafrechtlicher Relevanz sei. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat das Strafverfahren eingestellt.

Dass es anders kam, ist nur dem damaligen Leiter der Korruptionsstaatsanwalt­schaft Walter Geyer zu verdanken. Erst in der Folge wurde Anklage erhoben.

Die Justiz hat sich in der Causa HYPO mit dem bekannten Aphorismus „Ihr Geld ist nicht weg, mein Freund, es hat nur ein anderer“ abgefunden. Die dritte Staatsgewalt ist offensichtlich kaum überzeugt, dass der HYPO Skandal nur ein Versagen der Bankmanager war. Die „Anderen“ standen nicht im Fokus der Er­mittlungsbehörde. Schadenswiedergutmachung – ein Fremdwort.

Fazit: Die Zukunft wird zeigen, ob die Causa Hypo tatsächlich der größte Wirtschafts­kriminalfall der 2. Republik war, oder aber die Art und Weise wie die politisch handeln­den Personen agiert haben, erst zu dem Schaden führten.